Worber Post, Ausgabe 05/2020 - Sandra Büchel

Avatar of SP Worb SP Worb - 27. May 2020 - Zeitungsartikel

Förderung der Chancengerechtigkeit durch Förderung der familienergänzenden Betreuungsangebote!

Wer in der Schweiz aus einem armen und bildungsfernen Elternhaus, eventuell noch mit Migrationshintergrund, stammt, hat von Geburt an schlechtere Karten. Nur wenigen in dieser Situation gelingt der Aufstieg – der soziale Status wird also sozusagen vererbt. Die Schweiz bietet im Vergleich zu anderen Ländern eine tiefe Bildungsmobilität. Das bedeutet, nur wenige, die aus einem Elternhaus mit geringer Bildung stammen, schaffen z. B. einen Hochschulabschluss. Dazu kommt, dass die Akzeptanz und Förderung der familienergänzenden Betreuungsangebote in vielen Bereichen noch in den «Kinderschuhen» stecken.

Gerade die letzten Wochen haben uns aufgezeigt, wie gross die Schere in der Bildung der Kinder aufgehen kann, wenn die Lernbedingungen zu unterschiedlich sind. Darum sind wir gefordert, dieser Tatsache mit Hilfe der Förderung von familien- und schulergänzenden Betreuungsangeboten, wie zum Beispiel der Tagesschule oder sogar Ganztagesschulen, entgegenzuwirken. Der Trend in der Schweiz entwickelt sich derzeit von den normalen Tagesschulen immer mehr in Richtung der Ganztagesschulen. Eine Ganztagesschule oder sogenannte gebundene Tagesschule unterscheidet sich von der normalen, ungebundenen Tagesschule darin, dass Unterricht und Betreuung durch pädagogische, organisatorische, personelle und räumliche Massnahmen verbunden sind. Ganztagesschulangebote sowie Tagesschulangebote verdienen unsere Unterstützung. Sie unterstützen den Bildungsauftrag der Schule, indem sie eine dem Alter und Autonomiegrad der Kinder angemessene Betreuung, Erziehung und Förderung innerhalb und ausserhalb des obligatorischen Unterrichts bieten. Sie erleichtern und von Kindern, die wenig soziale Kontakte mit Gleichaltrigen erleben oder eine andere Muttersprache sprechen. Sie tragen zur Unterstützung der Eltern bei der Vereinbarung von Beruf und Familie bei. Aber sie tragen vor allem zu einem bei – der Chancengerechtigkeit.

Gerade darum sollten wir in der Gemeinde Worb, bevor wir eine neue Tagesschule bauen, eine Bedürfnisabklärung durchführen. Folgt Worb dem Trend der Ganztagesschulen, bleiben wir bei den ungebundenen Tagesschulen oder besteht ein Bedürfnis nach beidem? Es braucht eine Tagesschulstrategie sowie eine Schulraumplanung, die in direktem Zusammenhang mit dieser Strategie erarbeitet werden muss. Die Einführung von Ganztagesschulen würde zu einem massgeblichen Umbau der Worber Schullandschaft (z.B. Abnahme der Zahlen der normalen Tagesschüler) führen.

Ich bin der Ansicht, dass ein Entscheid zu einem Ja zu 2,7 Mio. Franken für den Neubau der Tagesschule nicht getroffen werden darf, ohne die Kompatibilität mit einer möglichen Ganztagesschule sowie der sich daraus ergebenden Auswirkungen abgeklärt zu haben. Es muss zuerst klar sein, wohin die Gemeinde mit den Tagesschulen will, und was es dafür wirklich braucht.

Sandra Büchel, Präsidentin SP Worb

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